rallye racing 5/97

The Devil
Wahrliches Teufelswerk versteckt sich unter
der Karosserie des RS Porsche 911 - 533
Turbo-PS katapultieren das Geschoß in bisher
nur den Formel 1 - Fahrern bekannte Sphären

Für den Normal-Autofahrer ist es zwar kaum verständlich, aber es soll tatsächlich Porsche-Besitzer geben, die
mit dem vorhandenen Leistungspotential - und das sind beim Elfer mindestens 285 PS - nicht zufrieden sind.
Selbst die 408 Pferdestärken des Serien-Turbo geben dieser Spezies Mensch noch nicht den endgültigen Kick.

Wer solche Leistungsansprüche an seinen fahrbaren Umsatz stellt, sollte sich den
Namen RS-Tuning - eine Firma, die in Kirchhaslach bei Ulm ihren Sitz hat -
merken. Der Porsche-Veredler macht aus einem Sechszylinder-Saugmotor dank
technischer Raffinessen ein wahrlich heißes Turbogeschoß. Da steigt sogar dem
Serien-Turbo die Zornesröte in die Lader, was aber nicht viel hilft. 533 PS, die der
RS-Elfer bietet, sorgen schon auf dem Papier für Vorfreude.

Und tatsächlich, der RS-Elfer, der auf dem Carrera 4S basiert, hat den Teufel im
Leib, auch wenn er optisch eher harmlos wirkt - trotz des in Zusammenarbeit mit
dp Motorsport adaptierten riesigen Heckleitwerks und dem tiefgezogenen
Frontspoiler.

BEDROHLICH Der
modifizierte Frontspoiler
des Porsche GT2 wirkt
reichlich bedrohlich
.

Auch wer in den gut ausgeformten Schalensitzen Platz nimmt und den ruhigen
Leerlauf des Motors hört, ahnt noch nicht, daß schon beim ersten Tritt auf das
Gaspedal eine Beschleunigungsorgie angezettelt wird, die kaum vorstellbar ist.
533 PS bei 5590 Umdrehungen der Kurbelwelle pro Minute und ein Drehmoment
von 754 Nm bei 4570 U/min sind schließlich auch Mächte, die nicht jeder so leicht
bei den Hörnern greifen kann. Wer solche Urgewalten noch nicht kennengelernt
hat, wird darum schon nach wenigen Augenblickenden Fuß wieder vom Gaspedal
herunternehmen und ueberlegen, ob dies alles so richtig ist, was ihm da gerade
wiederfärt. Wer aber das gefülvolle Spiel mit Kupplung und Gaspedal beherrscht,
katapultiert sich in neue Geschwindigkeitsregionen. Ein teuflischer Ritt durch die
einzelnen Gänge läßt die Pulsfrequenz des Piloten ansteigen.

STARK Ausgeprägte
Schalensitze sorgen für
besten Seitenhalt.
Ansonsten bleibt der
Innenraum unverändert
.

Nach unglaublich kurzen 3,5 Sekunden liegen schon 100 km/h an - auch Schumi in seinem Formel 1-Boliden
schafft diese Disziplin nicht viel schneller - um dann das noch in weiterFerne liegende Ziel in Windeseile zu
erreichen. Die Tachonadel nimmt die 150-, 200-, 250- und 300-km/h-Marke quasi nebenbei, um sich dann bei
einer Höchstgeschwindigkeit von 325 km/h einzupendeln.

Auch beim rallye racing-Zwischenspurt von 80 auf 180 km/h hat der RS die Sportwagen-Elite locker unter
Kontrolle. Mit nur 6,1 Sekunden, die er für diese Disziplin benötigt, setzt er sich an die Spitze der ewigen
Bestenliste und zeigt McLaren F1 und Co. sein dickes Hinterteil. (Story in rr 4/98)

Selbstverständlich sollten solche Geschwindigkeiten nur ermöglicht werden,
wenn auch die Bremsanlage dafür ausgelegt ist. Dies ist im Falle des Carrera S4
gegeben, da er serienmäßig über die gleiche Anlage verfügt wie der 911 Turbo.
Aus 100 km/h bis zum Stillstand wird lediglich eine Strecke von 34,3 Meter
benötigt.

Wegen des immensen technischen Aufwandes kostet der reine Motorumbau
schon stolze 97 750 Mark. Wichtigstes Bauteil sind die beiden KK
Abgasturbolader, die mit einem maximalen Ladedruck von 1,1 bar agieren
(Serien-Turbo 0,85 bar) und der zentrale Ladeluftkühler. Dazu gesellen sich dann
spezielle Nockenwellen, eine Doppelzündanlage, eine Ladedruckregelung, zwei
Abgaskatalysatoren und eine völlig überarbeitete Motronic. Die Verdichtung
wird wegen des Umbaus auf Turbolader auf 8,5:1 gesenkt. Auch die
Getriebeübersetzung, die dann mit der des 911 Turbo übereinstimmt, wird den
gewünschten Geschwindigkeiten angepaßt. Ihr Umbau verschlingt 5800 Mark.

ANIMALISCH Beim Blick
unter die Motorhaube
erkennt nur der Fachmann,
daß hier etwas ganz
animalisches im
verborgenen schlummert.
Lediglich das eingefärbte
Lüfterrrad macht auch den
Laien neugierig
.

Damit die Kraft auch sicher auf die Straße gebracht wird, sorgt ein straff
abgestimmtes H&R-Fahrwerk, das die Karosserie zudem um bis zu 70 mm
absenkt, für eine optimale Abstimmung.

So ausgerüstet ermöglicht der RS-Elfer kartähnliches Fahrverhalten in Kurven.
Wie von magischen Kräften gehalten zieht er seine Bahn und ermöglicht kaum
geahnte Querbeschleunigungen - selbst auf feuchtem Untergrund.

Wie sich jeder vorstellen kann, sollte das Gaspedal bei Richtungsänderungen
trotzdem überausbehutsam betätigt werden. Da die Kraftverteilung der vier
angetriebenen Räder des S4 mehr auf die Hinterachse ausgerichtet ist, läßt sich

SATT Mit dem extrem
sportlich ausgelegten
Fahrwerk umrundet der
RS Kurven, als würde er
an der Fahrbahn kleben.
ein Durchdrehen der hinteren Gummis nicht immer verhindern. Zuviel Gas und ein ungeübter Fahrer beendet
diese Übung dann sicherlich mit einem Dreher.

Ansonsten läßt es sich mit der brachialen Leistung gut leben. Sowohl im Stadtverkehr, als auch beim ruhigen
Dahinbummeln wirkt alles wie wie bei einem ganz normalen Porsche 911. Der etwas dumpfere Auspuffklang
beruhigt sogar. Erst bei höeren Drehzahlen wird daraus ein Grollen.

Wer es ruhig angehen läßt, darf mit rund 13 Liter Super Plus je 100 Kilometer rechnen, bei Ausnutzung der
vorhandenen Kraft fließen aber auch leicht 25 Liter durch die Brennräme.

Bei einem nicht gerade niedrigen Umbaupreis von 130 000 Mark, der daraus resultiert, daß bei RS Wert auf
höchste Qualität gelegt wird und darum vorzugsweise original Porsche-Teile aus dem Rennsport verwendet
werden, wird niemand auf seine Tankrechnung achten. PS-Freaks wollen ja jede Menge Spaß an ihrem
Überporsche haben, einen echten Turbo vernaschen können und von den möglichen Bestwerten, die ihr Auto
erziehlt, erzählen.

Fahrerisch werden nur wenige in der Lage sein, das ganze Leistungspotential des RS Carrera S4 mit
Doppelturbo auszunutzen. Vielleicht schaffen sie es auch niemals, die 300-km/h-Mauer zu durchbrechen. Aber
das ist auch nicht unbedingt nötig, denn sowohl beim Anfahren als auch beim Zwischenspurt kommt soviel
Freude auf, das die Höchstgeschwindigkeit nur noch ein zusätzliches Bonbon bedeutet.

Jürgen Schramek



Text und Fotos mit freundlicher Genehmigung von